Hintergrund:Die Sicherung der Bedarfe für ein menschenwürdiges Wohnen, das heißt für Unterkunft und Heizung, ist ein zentraler Bestandteil im Leistungsspektrum der Grundsicherungssysteme. Hierbei sind stets die verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu wahren. Bedeutung hat die Bestimmung existenzsichernder Bedarfe im Bereich des Wohnens einerseits für die Übernahme von ...
Hintergrund:Die Sicherung der Bedarfe für ein menschenwürdiges Wohnen, das heißt für Unterkunft und Heizung, ist ein zentraler Bestandteil im Leistungsspektrum der Grundsicherungssysteme. Hierbei sind stets die verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu wahren. Bedeutung hat die Bestimmung existenzsichernder Bedarfe im Bereich des Wohnens einerseits für die Übernahme von Kosten einer bereits bewohnten Wohnung (ggf. Mietsenkungsaufforderung, Umzug), andererseits auch für die Anmietung einer neuen Wohnung.Derzeitige Rechtslage:Das SGB II regelt in § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II, dass Bedarfe bzw. Kosten für Unterkunft und Heizung (im Folgenden: KdU) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Gleiches gilt nach § 35 SGB XII für die Sozialhilfe. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit der Aufwendungen ist auslegungsbedürftig, auslegungsfähig und in der Rechtsanwendung von der Rechtsprechung vollständig überprüfbar, wirft jedoch teilweise rechtliche und praktische Fragen bei der Umsetzung auf.Rahmenbedingungen – Aufsicht, Finanzierung und Praxisbedeutung:Die Umsetzung der Regelung des § 22 SGB II untersteht der Aufsicht der Länder. Die Kommunen setzen die Regelungen vor Ort um. Im Bereich des SGB II tragen sie die Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II, wobei der Bund sich an den Kosten beteiligt. Im Bereich der Sozialhilfe erfolgt die Ausführung des Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Bundesauftragsverwaltung, der Bund erstattet den Ländern die darauf entfallenden Nettoausgaben zu 100 %. Die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften liegt aber auch hier bei den ausführenden Trägern, in der Regel also bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II mit Kosten in Höhe von insgesamt ca. 14 Milliarden Euro jährlich stellen die größte öffentliche Transferleistung für das Wohnen in Deutschland dar.Praktische Umsetzbarkeit der Anforderungen des BSG:Nach den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG) haben der im SGB II zuständige kommunale Träger bzw. der Träger der Sozialhilfe im SGB XII zur Festlegung der Grenze der angemessenen Aufwendungen ein sog. „schlüssiges Konzept“ zu erstellen. Die Umsetzung der Vorgaben des BSG stellt sich in der Praxis unbefriedigend dar, auch weil empirische Spielräume eröffnet sind und es in der Praxis der kommunalen Träger als vollziehender Behörde vielfach nicht gelingt bzw. gelingen kann, die Vorgaben rechtssicher umzusetzen. In den beiden vom BSG bestätigten Fällen eines schlüssigen Konzeptes konnte auf (qualifizierte) Mietspiegel zurückgegriffen werden. Solche Daten liegen aber insbesondere in ländlichen Gemeinden nicht bzw. in Landkreisen nicht oder nicht flächendeckend vor oder haben keine vergleichbare Qualität. Darüber hinaus ist in einer Vielzahl von Fällen die Geeignetheit und Repräsentativität anderer Datenquellen vor Gericht strittig.Diskussionsstand zwischen Bund, Ländern und Kommunen:Die Frage der Umsetzung der rechtlichen Anforderungen bei der Bestimmung der Angemessenheit der KdU wurde intensiv im Rahmen der von der Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales (ASMK) eingesetzten Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des passiven Leistungsrechts, einschließlich des Verfahrensrechts, im SGB II (AG Rechtsvereinfachung im SGB II) erörtert. Dabei wurde deutlich, dass die bisher vorliegenden Vorschläge zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der KdU derzeit nicht entscheidungsreif sind. Im Ergebnis der Diskussion wurde das BMAS einvernehmlich gebeten, ein Gutachten in Auftrag zu geben, das die Grundlagen für die Bemessung bedarfsdeckender Leistungen für die Unterkunft wissenschaftlich erforscht und geeignete Methoden einer Umsetzung prüft. Dabei wurde auch die Frage aufgeworfen, ob der Angemessenheitsbegriff durch eine praktikablere Regelung ersetzt werden könnte. Das Projekt dient der Umsetzung des o. g. Arbeitsauftrags.Forschungsbedarf:In der Praxis stehen den kommunalen Trägern zur Erstellung der schlüssigen Konzepte unterschiedliche Daten zur Verfügung (vgl. BMVBS: Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Berlin 2013, Kap. 6). Unter Berücksichtigung der Vorgaben des BSG steht es ihnen frei, welche Daten sie nutzen und welche Methode sie anwenden; die Wahl bestimmter Daten und Methodik könnte jedoch zu unterschiedlichen Werten (Mietobergrenzen) führen. Zur Vorbereitung gesetzgeberischer Entscheidungen über die existenzsichernde Deckung der Unterkunftsbedarfe im SGB II und im SGB XII ist eine sichere Entscheidungsgrundlage notwendig, die wissenschaftlich, insbesondere empirisch unterlegt werden soll. Hierfür ist die Erforschung geeigneter Datenquellen und Methoden (Methodenvergleich) für die Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für Unterkunft und Heizung notwendig. Der Gesetzgeber soll damit in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob und ggf. welche gesetzlichen Änderungen beispielsweise in § 22 SGB II und § 35 SGB XII vorgenommen werden könnten, etwa ob gesetzliche Vorgaben zu den zu verwendenden Daten und zur anzuwendenden Methoden sinnvoll sind. Ein Kernpunkt des Forschungsvorhabens ist die Beantwortung der Frage, mit welcher/mit welchen empirischen Methoden aus den vorhandenen Daten unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen eine realitätsgerechte Abbildung der existenzsichernden Bedarfsdeckung der Unterkunftskosten möglich ist. Das Forschungsvorhaben beschränkt sich nicht auf die Frage, wie das „schlüssige Konzept“ des BSG in allen Kommunen trotz unterschiedlichster Ausgangs- und Datenlage umgesetzt werden könnte. Das Forschungsvorhaben umfasst auch die Prüfung, ob ein anderes Konzept die Existenzsicherung im Bereich KdU abbilden und gewährleisten kann, das gleichzeitig den Kommunen eine praktikable und rechtssichere Umsetzung ermöglicht.Erhebungen:Auf Basis des Forschungskonzeptes könnten allgemein die nachfolgenden Punkte sinnvoll sein:— Übersicht über vorhandene Daten bzw. deren Verfügbarkeit, Verbreitung und Nutzung;— Ermittlung repräsentativer Informationen zur Nutzung und Verbreitung von verwendeten Daten und Methoden mittels einer Befragung der Geschäftsführer und Leiter der Jobcenter bzw. der kommunalen Träger der Jobcenter bzw. in den Jobcentern (gemeinsame Einrichtungen und zugelassene kommunale Träger);— Befragung weiterer Akteure am Wohnungsmarkt, die über einschlägige Datenquellen verfügen (Katasterämter etc.);— qualitative Interviews mit einzelnen Kommunen;— Workshop mit Praktikern – zu der Frage der Durchführung, Platzierung und inhaltlichen Ausgestaltung eines solchen Workshops wird vom Anbieter ein begründeter Vorschlag erwartet. Bei der organisatorischen Durchführung eines solchen Workshops wird – ggf. unterstützend, etwa durch Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten – der Auftraggeber mitwirken.— Aus diesen Erhebungen lassen sich dann u. U. bestimmte „Umsetzungstypen“ in Bezug auf verwendete Daten und Methodik ableiten, die für die Auswahl anschließender Fallstudien in gemeinsamen Einrichtungen und zugelassenen kommunalen Trägern zu berücksichtigt wären. Zur möglichen Durchführung der Analyse der örtlichen Dokumente zur Frage der verwendeten Daten und Methodik, der Experteninterviews, der Interviews mit weiteren Mitarbeitern, mit Betroffenen, von Gruppengesprächen, von nicht-teilnehmender Beobachtung im Jobcenter etc. sollte der Anbieter ein begründetes Vorgehen entwickeln.— Experteninterviews auf Governance-Ebene im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), in den obersten Landesbehörden, bei den kommunalen Spitzenverbänden sowie Kommunen (in zkT und gE) sowie im Bedarfsfalle bei der Bundesagentur für Arbeit (Zentrale, ggf. ausgewählte Regionaldirektionen und Agenturen) durchgeführt werden. Auch eine schriftliche Befragung erscheint hier möglich.Gender Mainstreaming:Die Einhaltung des Gender Mainstreaming-Ansatzes bei der Konzeption, Durchführung und Auswertung des gesamten Forschungsprojekts ist verpflichtend. Aufgrund der auf Seiten des Anbieters erforderlichen engen Verzahnung von mathematisch-statistischen sowie methodischen, rechtlichen und praktischen Kompetenzen und Erfahrungen im Bereich KdU SGB II und SGB XII ist die Bildung von Arbeitsgemeinschaften in Form von Bietergemeinschaften oder die Hinzuziehung von Subunternehmern ausdrücklich erwünscht.Begleitung des Projekts:Während der Projektlaufzeit ist eine enge Koppelung mit der in Form einer Steuerungsgruppe (ca. vier Sitzungen im Kalenderjahr) unter Leitung des BMAS bereits vorab gebildeten Arbeitsstruktur vorzusehen. Mitglieder der Steuerungsgruppe sind auch das BMUB unter Einbeziehung des BBSR, eine begrenzte Anzahl von Ländern, die kommunalen Spitzenverbände sowie die Bundesagentur für Arbeit (BA) und einzelne sachverständige Experten. Vom Auftragnehmer wird jeweils eine inhaltliche Vorbereitung erwartet. Der Auftragnehmer sollte sich zudem auf mögliche Sondersitzungen zum Projekt einstellen.